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Kurze Artikel 

Das Praxiskriterium der Wahrheit

Die gegenständliche Tätigkeit, das Experiment und das Moralgesetz

Wahrheit in der Naturerkenntnis

Die ersten Menschen waren keine Theoretiker, sondern haben mit ihrer Tätigkeit an den Gegenständen ausprobiert, was geht und was nicht geht. Dieses trial and error – Verfahren, heute anzuwenden, ist unsinnig, weil es sozusagen alle Fehler  machen müsste, die möglich sind, also unendlich viele. Rationell ist es, auf den tradierten Wissensstand aufbauend, Neues zu versuchen. Wird das tradierte Wissen sprachlich in Schriftform fixiert, dann wird es möglich, dieses Wissen auch ohne Abschauen und Nachahmen, das an eine kontinuierliche Abfolge von Generationen gekoppelt ist, zu tradieren – sogar auf fremde Kulturen zu übertragen. Ein Beispiel dafür ist die Ethik des Aristoteles, die seit dem 12./13. Jahrhundert in den europäischern Universitäten allmählich zur vorherrschenden Lehre wurde, obwohl die gesellschaftlichen Voraussetzungen ihrer Entstehung, wie z.B. die antike Polis, nicht mehr vorhanden waren. Heute ist an die Stelle meist handwerklicher gegenständlicher Tätigkeit die große Industrie getreten und in der Wissenschaft das apparative Experiment. Aus einer Theorie heraus, die systematische Verknüpfung von Urteilen über einen Gegenstandsbereich, werden in Bezug auf offene Fragen Hypothesen (begründete Vermutungen) gebildet, die dann an die Natur gestellt werden.

„Als Galilei seine Kugeln die schiefe Fläche mit einer von ihm selbst gewählten Schwere herabrollen, oder Torricelli die Luft ein Gewicht, was er sich zum voraus dem einer ihm bekannten Wassersäule gleich gedacht hatte, tragen ließ, oder in noch späterer Zeit Stahl Metalle in Kalk und diesen wieder um in Metalle verwandelte, indem er ihnen etwas entzog und wiedergab; so ging allen Naturforschern ein Licht auf. Sie begriffen, daß die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurf hervorbringt, daß sie mit Prinzipien ihrer Urteile nach beständigen Gesetzen vorangehen und die Natur nötigen müsse auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr allein gleichsam am Leitbande gängeln lassen müsse; denn sonst hängen zufällige, nach keinem, vorher entworfenen Plane gemachte Beobachtungen gar nicht in einem notwendigen Gesetze zusammen, welches doch die Vernunft sucht und bedarf. Die Vernunft muß mit ihren Prinzipien, nach denen allein übereinkommende Erscheinungen für Gesetze gelten können, in einer Hand, und mit dem Experiment, das sie nach jenen ausdachte, in der anderen, an die Natur gehen, zwar um von ihr belehrt zu werden, aber nicht in der Qualität eines Schülers, der sich alles vorsagen lässt, was der Lehrer will, sondern eines bestallten Richters, der die Zeugen nötigt, auf die Fragen zu antworten, die er ihnen vorlegt.“ (Kant: Kritik der reinen Vernunft, S. B XII ff.)

Aus sich allein kann die Vernunft nur Projektionen aufstellen, die dem logischen Wahrheitskriterium der Widerspruchsfreiheit genügen muss.(1) Aber ob eine solche Projektion wahr oder falsch ist, dazu bedarf es der gegenständlichen Tätigkeit, wie sie z.B. im Experiment vorliegt. „Und so hat sogar Physik die so vorteilhafte Revolution ihrer Denkart lediglich dem Einfalle zu verdanken, demjenigen, was die Vernunft selbst in die Natur hineinlegt, gemäß, dasjenige in ihr zu suchen (nicht ihr anzudichten), was sie von dieser lernen muß, und wovon sie für sich selbst nichts wissen würde. Hierdurch ist die Naturwissenschaft allererst in den sicheren Gang einer Wissenschaft gebracht worden, da sie so viel Jahrhunderte durch nichts weiter als ein bloßes Herumtappen gewesen war.“ (Ebda.) (2)

Damit eine schlüssige Antwort von der Natur erhalten wird, muss das Experiment unter extremen Randbedingungen durchgeführt werden, sodass ein Problem rein, ohne verzerrende Nebenwirkungen erforscht werden kann. So ist die experimentelle Bestätigung der Erdbeschleunigung auf Grund des Gravitationsgesetzes nur unter folgenden Bedingungen rein zu erhalten: Es muss in mittlerer Meeresspiegelhöhe und etwa auf dem 20. Breitengrad durchgeführt werden, weil Berge und die Abflachung der Erde zu den Polen hin das Resultat verfälschen würden. Weiter muss der Fall von Gegenständen in einer Vakuumröhre gemessen werden, um die Reibung durch die Luft zu beseitigen. Es wird sich dann zeigen, dass alle Körper unabhängig von ihrer spezifischen Dichte mit einer Beschleunigung von 9,81 m sˉ² zur Erde fallen. Stimmt dieses Experiment mit der zuvor errechneten Erdbeschleunigung entsprechend der Masse der Erde überein, dann ist die Gravitationstheorie im Rahmen der möglichen Messgenauigkeit wahr. Das heißt Wahrheit ist nicht nur denkimmanent, wie Habermas und die moderne und postmoderne bürgerliche Philosophie behauptet, sie ist nicht nur ein „another kind of belief“ (M. Williams, affirmativ zitiert von Habermas: Rechtfertigung, S. 247), sondern sie hat einen ontologischen Bezugspunkt, sie ist nach der klassischen Wahrheitsdefinition die Übereinstimmung der experimentell bestätigten Theorie mit ihrem Gegenstandbereich. Die so erkannten Bestimmungen des Denkens treffen etwas an der ontologischen Realität.

Das Argument, die Resultate des Experiments lägen auch nur in sprachlicher Form vor, deshalb bewiesen sie keinen ontologischen Bezug, ist nicht schlüssig, denn ob ein Experiment positiv ausgeht, die aus der Theorie folgende Hypothese bestätigt, oder negativ, sie also nicht bestätigt, lässt sich vor dem ersten Experiment nicht sprachlich vorhersagen, sondern hängt von der zunächst noch für uns unbestimmten Natur ab (3). Können mit einer durch Experiment erhärteten Theorie technische Prozesse erfolgreich in Gang gesetzt werden und wird diese Technik zur Bedingung der Möglichkeit der heutigen Gesellschaft (wie z.B. die Newtonsche Mechanik notwendige Bedingung der Industrialisierung geworden ist), dann ist das Praxiskriterium der Wahrheit erfüllt. Das Gerede, man könne nicht aus der Sprache heraustreten (Habermas mit Wittgenstein u.a. „Rechtfertigung“ S. 246), erweist sich dann als Wahnvorstellung von Intellektuellen, deren Auftrag (subjektiv oder objektiv) es ist, den abhängig Beschäftigten die Wahrheit ihrer Kritik am Kapitalismus zu bestreiten, indem diese Ideologen den Begriff der Wahrheit als theoretisch unmöglich denunzieren.

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Gegenständliche Tätigkeit wie im Handwerk, der großen Industrie und im Experiment hat ontologische Voraussetzungen. Das Material der Tätigkeit muss bestimmt sein, sonst könnte ich keine Zwecke in ihm realisieren bzw. keine reproduzierbaren Ergebnisse bekommen. Es muss aber auch bestimmbar sein, denn ein völlig determiniertes Material wäre nicht veränderbar durch Zwecke verwirklichende Tätigkeit des Menschen. Ist eine Theorie, also ein systematischer Zusammenhang von allgemeinen Urteilen, Voraussetzung des organisierten gegenständlichen Eingriffs in die Natur, dann kann die Natur nicht nur aus wahrnehmbaren Einzeldingen bestehen, es muss in der objektiven Realität, der ontologisch bestimmten Natur, wie sie unabhängig von unserem Bewusstsein existiert, ein Allgemeines inkorporiert sein. Da andererseits der aristotelische traditionelle Universalienrealismus der Kritik verfällt, insofern er durch seine Projektion der Universalien in die Einzeldinge den Widerspruch verfällt, dass diese Universalien zugleich universal und einzeln sein müssten, auch das Universale durch Abstraktion von (unwesentlichen) Erscheinungen erschlossen ist, also selbst nur als (wesentliche) Erscheinung bestimmt ist, nicht aber als ontologisch begründet, kann die Projektion von Universalen in die ontologische Sphäre nur als notwendige Annahme überhaupt aufgestellt werden. Eine wahre Theorie, die in sich stimmig ist und zur notwendigen Bedingung der Möglichkeit heutiger Gesellschaften geworden ist (Praxiskriterium der Wahrheit), muss ein fundamentum in re, ein ontologisches Fundament, zugestanden werden, sie muss etwas in der außermentalen Realität treffen, auch wenn diese notwendige Unterstellung nicht konkret zu bestimmen ist (negative Metaphysik; vgl. „Ontologie“).

„Wenn aber Wissenschaft nicht im Gewirr von Diskursen sich erschöpfen und auch nicht in gegenstandlosen Sprachspielen bestehen soll, sondern die Erkenntnis realer Dinge und ihrer Verbindungen leisten soll, muß sie ein reales eidetisches Moment in ihren Objekten voraussetzen. Die unaufhebbare Alterität der Natur erschöpft sich nicht im Denkbaren und Sagbaren, aber alles Denken und Sprechen ist auf ihre seiende Idealität hingeordnet.“ (Mensching: „Idee“, S. 109)

Die Postmoderne und Theoretiker des linguistic turns behaupten generell, dass es entweder nur eine innersprachliche Wahrheitsrelation gäbe oder sie bestreitet den Wahrheitsbegriff ganz (Rorty). Durch die Reflexion der gegenständlichen Tätigkeit und des Experiments sind diese Annahmen widerlegt worden. Dass sie dennoch weiter behauptet werden, provoziert die Frage nach den Gründen der „Paralysierung der Vernunft“ (P. Bulthaup). Der entscheidende Grund liegt in den gesellschaftlichen Verhältnissen, die durch längst überflüssige Herrschaft des meist anonymen Kapitals über die Lohnabhängigen gekennzeichnet sind. Dieser Herrschaft kommt die Entwicklung der Naturwissenschaften selbst entgegen.

Die durch die Fachsystematik bedingte Möglichkeit der Akkumulation von Wissen hat zur Folge, dass wissenschaftliche Experimente, die nicht nur zur Einübung des Wissens dienen, sondern Neues erforschen wollen, auf eine immer größere Apparatur angewiesen sind.

„Da die weitere Entwicklung jeder Naturwissenschaft aufbaut auf ihren eigenen Resultaten, diese konstitutiv sind für die jeweils neuen, führen die Akkumulation des normativ-methodischen Moments und dessen technisches Korrelat, das immer aufwendigere Instrumentarium, schließlich zur totalen Vorherrschaft der in Methode und Apparatur vergegenständlichten Arbeit über die lebendige wissenschaftliche Arbeit. Nach dem ihr immanenten Entwicklungsgesetz transformiert sich jede Naturwissenschaft in Technologie.“ (Bulthaup: Naturwissenschaften, S. 46)

„Zunehmend, in Parallelität zur Transformation von Wissenschaft in Technologie, nimmt auch die Entwicklung technischer Innovationen den Charakter industrieller Produktion an, gewinnt auch in ihr die Methode die Vorherrschaft. Was als Bastelei genialischer Erfinder vom Typus eines Edison begann, ist längst in den Entwicklungsabteilungen der großen Unternehmen kaserniert, denen die qualifizierte Arbeitskraft zu liefern zur Aufgabe des Wissenschaftsbetriebs wurde.“ (A.a.O., S. 47)

Da der Zweck der industriellen Produktion nicht das Glück der Menschen ist, sondern die unendlich sich fortsetzende Produktion von akkumulierbarem Mehrwert, Produktion von Produktivität, die Produktion um der Produktion willen, wird naturwissenschaftliche Wahrheit zum Mittel der Entfremdung, der Zerstörung lebenswerter Umweltbedingungen, des Elends in der Welt und zukünftiger Kriege. Dies ist aber nicht den Naturwissenschaften als solchen anzulasten, sondern der gesellschaftlichen Verwendung ihrer Resultate. Eine herausgefundene Erkenntnis bleibt eine Wahrheit, auch wenn diese missbraucht wird. Und nicht der Anspruch auf Wahrheit ist den Naturwissenschaften streitig zu machen, wie hier und da vermeintlich emanzipatorische Richtungen fordern, indem sie den Begriff der Wahrheit überhaupt bestreiten, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse sind zu ändern, welche die Resultate der Wissenschaft in Destruktivkräfte umwandeln.

Die Kritik dieser Verhältnisse ist aber auf Vernunft und ihren Anspruch auf Wahrheit, d. h. auf Rationalität, angewiesen, will sie nicht illusionäre Wahnwelten imaginieren oder unendliche ideale Sprachspiele betreiben wie bestimmte Richtungen der bürgerlichen Philosophie.

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Wahrheit in Ökonomie und Gesellschaft und das Moralgesetz

Was für die Naturwissenschaften bestimmt wurde, gilt prinzipiell auch für die Sozialwissenschaften. Es gibt nur eine Vernunft und eine strikte Trennung von Naturwissenschaften und sogenannten Geisteswissenschaften ist selbst bereits falsches, weil widersprüchliches, die Einheit des Bewusstseins sprengendes Denken. Naturwissenschaften haben eine soziale Funktion und die Sozialwissenschaften reflektieren die Resultate der Naturwissenschaften und ihre sozialen Auswirkungen. Ihr Unterschied liegt in den Gegenständen, nicht im Erkenntnisapparat des Menschen begründet. Für diesen gilt die Einheit des Bewusstseins und damit die Widerspruchsfreiheit.

Konkretes Handeln in der Gesellschaft hat es zwar mit Unwägbarkeiten zu tun, hier sind extreme Randbedingungen selten, in denen Gesetzmäßigkeiten rein wirken wie im naturwissenschaftlichen Experiment und in der technischen Anwendung von Naturgesetzen. (4) Handlungen mit guter Absicht können sich qua Entfremdungsmechanismen in schlechte Wirkungen verwandeln, schlechte Absichten können Gutes bewirken. Doch auch hier gibt es Gesetzmäßigkeiten, die zu beachten sind, will man rational in der Gesellschaft handeln. Dies sind vor allem die Gesetze der kapitalistischen Ökonomie, die Marx bis heute gültig reflektiert und dargestellt hat. Wer sie in sein Handlungskalkül einbezieht hat signifikant größere Chancen, seine sozialen Ziele zu verwirklichen als jemand, der spontan handelt ohne Kenntnis dieser Gesetze; die Verwirklichung der Ziele des naiv Handelnden wäre allein dem Zufalls geschuldet.

Zum Unterschied von den Naturgesetzen, die ein ontologisches Fundament haben, das unabhängig vom Menschen ist (deshalb ontologisch), sind die Gesetzmäßigkeiten in den sozialen und ökonomischen Gegenständen, der kapitalistischen Ökonomie und ihrer Gesellschaft, weitgehend vom Menschen erzeugt. Hier kann partiell vom erkennbaren immanenten Wesen der Gegenstände gesprochen werden, da der Grund der Erscheinungen nicht eine unbekannte ontologische Ursache ist, sondern eine von uns produzierte und deshalb prinzipiell einsehbare.

„Wenn die Produktion selbst den Tauschwert unterworfen wird, ist die kapitalistische Produktionsweise gesetzt. Die ökonomische Formbestimmung eines Gegenstandes, Tauschwert zu sein, die gegenüber ihrem sinnfälligen, qualitativ bestimmten Dasein nur eine gedankliche Fiktion zu sein scheint, gewinnt Realität in dem Maße, wie alle anderen Eigenschaften des Produktes dieser Formbestimmung subsumiert sind. Das Ding mit seinen Eigenschaften, deren Gesamtheit der Gebrauchswert ist, wird ökonomisch nur um des Tauschwertes willen produziert. Dieser aber inhäriert dem Ding unsichtbar und bestimmt es zur Ware, wodurch es den Gesetzen der zweiten Natur ebenso unterworfen wird wie es durch seine physikalischen Eigenschaften der ersten immer schon gehorcht hat. Sein Wesen teilt sich realiter in eine forma physica und in eine forma metaphysica. Letztere ist die ökonomische Formbestimmung, der seine physikalischen Eigenschaften als materia secunda zugrunde liegen.“ (Mensching: Arbeitsbegriffs, S. 65)

Diese allgemeine Formbestimmtheit der Waren und des Kapitals zwingt Marx, die ökonomischen Begriffe nach dem Modell des Universalienrealismus zu konzipieren.

„Die Bedeutung dieser Momente erschließt sich nur im Zusammenhang einer gesamtgesellschaftlichen Theorie. Deren Gegenstand aber, obgleich Inbegriff von Realität, ist nichts Anschauliches, physisch-Unmittelbares. Daher ist der Marxsche Materialismus immanent genötigt, die Realität des Abstrakten zu unterstellen. Dies ist der Übergang von einer nominalistisch angelegten Theorie (wie in den Frühschriften, B.G.) zum Begriffsrealismus (im „Kapital“, B.G.).“ (Ebda.)

Seine Grenzen hat dieser Universalienrealismus allerdings an der physischen Natur der Dinge und am Menschen, der als vernunftbegabtes Wesen seine entfremdete Produktion durchschauen und zur geistigen Autonomie gelangen kann, also sich auch gegen die erkannten Gegebenheiten stellen kann. Als intelligentes Lebewesen hat er ein intelligibles Ansichsein, das verbietet, ihn zum bloßen Mittel einer entfremdeten Produktion zu machen (vgl. K. H. Haag, in: „Ontologie“ (Schluss des Kurzartikels)). Deshalb ist auch der „Erfolg“ gesellschaftlichen Handelns von irgend beliebigen Zwecken kein Praxiskriterium der Wahrheit. Praxis als ursprünglicher Begriff war bei Aristoteles immer mit Freiheit, der Verwirklichung vernünftiger Ziele verbunden gedacht, enthielt also ein moralisches Moment, insofern das Moralprinzip (bei Aristoteles die Tugend) das Gesetz der Freiheit ist. Das Praxiskriterium der Wahrheit sozialer Bestimmungen besteht also darin, ob sie dazu beitragen, die Gesellschaft so zu gestalten, dass sie den Menschen als Zweck an sich selbst, das was er ontologisch ist, auch in den gesellschaftlichen Verhältnissen befördert. Der Maßstab der Wahrheit in der Theorie der Gesellschaft und der aus ihr folgenden Praxis ist also das Moralgesetz und seine Konsequenzen (soziale Gleichheit, Solidarität, Freiheit der Individuen usw.), nicht die empirisch bestehende Gesellschaft, die allerdings erst „naturwissenschaftlich Getreu“ als Erkenntnis der Bedingungen des Handelns bestimmt werden muss.

Gegen Romantizismus und Utopismus hebt Marx diesen realistischen Aspekt des Denkens hervor: „Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine Frage der Theorie (allein, B.G.), sondern eine praktische Frage. In der Praxis (und in seiner Geschichte, B.G.) muß der Mensch die Wahrheit, i. e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens – das von der Praxis isoliert ist – ist eine rein scholastische Frage.“ (Marx, in: MEW 3, S. 5)

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Anmerkungen

(1) Für Aristoteles ist das Prinzip der Widerspruchsfreiheit das denkimmanente Prinzip aller anderen Prinzipien und Axiome der Philosophie und des Denkens überhaupt, wenn es den Anspruch erhebt, wahr zu sein. „Denn ein Prinzip, welches jeder notwendig besitzen muß, der irgend etwas von dem Seienden erkennen soll, ist nicht bloße Annahme (Voraussetzung, Hypothese), und was jeder erkannt haben muß, der irgend etwas erkennen soll, das muß er schon zum Erkennen mitbringen.“ Dieses Prinzip lautet: „Daß nämlich dasselbe demselben in derselben Beziehung (und dazu mögen noch die anderen näheren Bestimmungen hinzugefügt sein, mit denen wir logischen Einwürfen ausweichen) unmöglich zugleich zukommen und nicht zukommen kann, das ist das sicherste unter allen Prinzipien; denn es passt darauf die angegebene Bestimmung, da es unmöglich ist, daß jemand annehme, dasselbe sei und sei nicht.“ (Aristoteles: Metaphysik Bd. 1, S. 137 (1005a ff.) (Vgl. dazu auch Gaßmann: Logik, S. 144 - 157).

(2) Zur Bedeutung des Experiments in den modernen Naturwissenschaften vergleiche auch Bulthaup: Naturwissenschaften, S. 46 ff., und ders.: Fachsystematik und didaktische Modelle, in: Gesetz, S. 179 ff.

(3) „Das Wesentliche experimenteller Arbeit, den Versuchsaufbau so lange zu variieren, bis er dem bis dahin nur vermuteten, erst zu erkennenden objektiven Zusammenhang entspricht, die Unzahl fehlgeschlagener Versuche, aus denen erst der gelungene resultiert, erscheinen nicht in den wissenschaftlichen Publikationen. Ist die richtige Versuchsanordnung einmal gefunden, so bleibt sie normativ für die Reproduzierung des Versuchsergebnisses. Dadurch entsteht der Schein, die normative Methode, das Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit, sei deren Wesen.“ (Bulthaup: Naturwissenschaften, S. 46)

(4) Eine politische Theorie, da sie keine Experimente unter extremen Randbedingungen machen kann, ist auf die Reflexion der Geschichte verwiesen. Da es mir nur um die Kritik an der generellen Ablehnung des emphatischen Wahrheitsbegriffs geht, kann ich hier nicht auf das Verhältnis von Gesellschaftstheorie und Geschichte eingehen.

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Literatur

Aristoteles: Metaphysik. In der Übersetzung von Herrmann Bonitz. Neu bearbeitet mit Einleitung und Kommentar herausgegeben von Horst Seidel. Griechisch – deutsch, Hamburg 1978.

Bulthaup, Peter: Das Gesetz der Befreiung. Und andere Texte, Lüneburg 1998.

Bulthaup, Peter: Zur gesellschaftlichen Funktion der Naturwissenschaften, Lüneburg 1996 (2. Aufl.).

Gaßmann, Bodo: Logik. Kleines Lehrbuch des menschlichen Denkens. Begriff, Urteil, Schluß und von der wissenschaftlichen Methode, Garbsen 1994.

Habermas, Jürgen: Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze, Ffm. 1999.

Kant: Kritik der reinen Vernunft. Nach der ersten und zweiten Original-Ausgabe neu herausgegeben von Raymund Schmidt, Hamburg 1971.

Marx, Karl: Thesen über Feuerbach, in: MEW 3, S. 533.

Mensching, Günther: Nominalistische und realistische Momente des Marxschen Arbeitsbegriffs, in: Krise und Kritik. Zur Aktualität der Marxschen Theorie, Lüneburg 1983.

Mensching, Günther: „Idee“ bei Thomas von Aquin, in: Was ist Idee? Hrsg. v. Georgi Kapriew und Günther Mensching, Erlangen 2007.

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Letzte Aktualisierung: 31.08.2010