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Titel Aphorismen

Lohnarbeit und Aufklärung

Über den privaten und den öffentlichen Gebrauch der Vernunft

Der Lügenbaron Münchhausen erzählt die Geschichte, in der er sich am eigenen Schopf mit samt seinem Pferd aus dem Sumpf zieht. Doch da jeder diese Episode als Lüge durchschaut, ist Münchhausen kein Lügenbaron, sondern ein Aufklärer. Seine Botschaft lautet: Hilft dir selbst, sei clever und zieh dich selbst aus dem Morast.

In modernen kapitalistischen Industriegesellschaften sind 90 % der Erwerbstätigen  Lohnabhängige. Sie haben sich dieses Los nicht ausgesucht, sondern sind gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, wenn sie am Wohlstand der Konsumgesellschaft teilnehmen und das Durchschnittsalter erreichen wollen – jedenfalls bis zur nächsten gesellschaftlichen Katastrophe. Die Ketten ihrer Abhängigkeit abzustreifen, eine vernünftige Organisation der Produktion einzurichten, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und nicht an der Anhäufung des Profits – dazu bedarf es allererst Aufklärung und Selbstaufklärung. Ohne diese wird die „Lohnsklaverei“, die Anarchie des Marktes mit seinen Krisen, die auch aufs Politische und Militärische übergreifen, als Naturereignis empfunden und dementsprechend perpetuiert. Ohne Aufklärung werden die Selbstzerstörungstendenzen der Kapitalproduktion uns schicksalhaft begraben.

Die Aufklärung aber, der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant: Was ist Aufklärung?, S. 9 (1)) hat als grundlegende Voraussetzung den öffentlichen Gebrauch der Vernunft. Unter den öffentlichen Gebrauch der Vernunft versteht Kant denjenigen, „den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht (a.a.O., S. 11). Diese Leserwelt ist heute selbstverständlich auch das Publikum von Radio, Fernsehen, Internet usw. Eine Regierung, die per Gesetz oder mit anderen Gewaltmitteln den öffentlichen Gebrauch der Vernunft, also Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Publikationsfreiheit usw. in ihrem Wesenskern einschränkt, verhindert nicht nur Aufklärung, sondern erklärt auch der eigenen Bevölkerung den Krieg. Denn eine absolute Macht gefährdet die Existenz der Menschen, wie einst der Gröfaz bewiesen hat. Gegen ein solches Regime bleibt meist nur das Vorgehen mit Gewalt, um allererst die grundlegende Bedingung der Freiheit des öffentlichen Gebrauchs der Vernunft wieder herzustellen. Werden diese grundlegenden Menschenrechte beseitigt, dann gilt: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ (Grundgesetz Art. 20.4.)

Wenn Kant allerdings der Auffassung war: „Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit“ (a.a.O. S. 11), dann hat er sich getäuscht. Denn solange die herrschende Klasse der Kapitaleigner „die Mittel zur materiellen Produktion zu ihrer Verfügung hat, disponiert (sie) zugleich die Mittel zur geistigen Produktion“ und „damit zugleich im Durchschnitt die Gedanken derer, denen die Mittel zur geistigen Produktion abgehen“ (Marx/Engels: MEW 3, S. 46 (2)). Daraus folgt: „die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken“ (ebda.). Die herrschenden Gedanken kommen in den westlichen Demokratien  in Gestalt der Aufklärung daher, deren Analyse erweist sie aber stets als ideologische Verklärung der Verhältnisse. Aufklärung in der Kultur- und Bewusstseinsindustrie entpuppt sich als Massenbetrug. (3)

Die Vernunft, die zwecksetzende, nicht die instrumentelle, ist heute schon längst nicht mehr auf Seiten der kapitalistischen Ökonomie, eine Illusion, die man noch im 18. Jahrhundert vor der Französischen Revolution im Kampf mit den Feudalmächten haben konnte. Vernünftig ist heute allein die Abschaffung der Kapitalproduktion. Mit den bisher geschaffenen Produktivkräften ist ein naturverträglicher Wohlstand für alle Menschen möglich. Ist aber Vernunft Kritik am Bestehenden, dann ergibt sich das gegenwärtige Dilemma der Aufklärung: Die herrschenden affirmativen Gedanken bestimmen das Durchschnittsbewusstsein – und zugleich soll dieses Durchschnittsbewusstsein sich selbst aufklären und die herrschenden Gedanken abstreifen. Die Menschen werden als Lohndiener in Abhängigkeit gehalten, passen sich auch bewusstseinsmäßig an nach dem unmoralischen Motto: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, und zugleich sollen sie sich wie einst Münchhausen mit samt dem Pferd (der Gesellschaft) am eigenen Schopf (ihrem Bewusstsein) packen und aus dem Sumpf des Kapitalismus ziehen.

Die Alternative zur Aufklärung, nämlich bessere Zeiten abzuwarten und sich über das Versagen der Arbeiterklasse, die einst hätte alles wenden können, zu beklagen, ist keine. Die das meinen, gleichen der Brechtschen Figur, die im brennenden Haus sitzt und sich weigert, es zu verlassen, weil es draußen eventuell regnen könnte. Das Dilemma, dass ein von der Kapitalideologie kolonisiertes Bewusstsein sich zugleich selbst aufklären soll, erweist sich jedoch dann als ein bloß kontemplatives, ein nur theoretisches Dilemma, wenn die Menschen sich entschließen, die Selbstaufklärung zu beginnen, sich anstrengen, ihre Welt zu erkennen, und sich öffnen, die Kritikwürdigkeit der unbeherrschbaren kapitalistischen Ökonomie einzusehen. Durch die Tat zieht sich das Bewusstsein aus dem Sumpf – oder es bleibt, wie es ist. Für diese Tat der Selbstaufklärung spricht: Die Menschen haben nicht nur ein Bewusstsein, sondern auch das Vermögen zum Selbstbewusstsein, zur Reflexion, zum Selbstzweifel. Was physikalisch in der Münchhausenallegorie nicht geht, ist geistig möglich. Wir können die herrschenden Gedanken als solche durchschauen, sie werden täglich an der Wirklichkeit blamiert. Publicrelations-Agenturen mit ihren neoliberalen Kampagnen laufen sich tot, wenn das Lohnniveau gesenkt wird und jemand diesen Zusammenhang mit ihrer Ideologie nachweist.  

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Damit man öffentlichen Gebrauch von seiner Vernunft macht, braucht man kein Held zu sein, etwas Mut reicht schon aus. Bereits Kant hat das Dilemma der Aufklärung gesehen, abhängig in seinem Privatgebrauch der Vernunft zu sein und dennoch den Mut zu haben, auch seinen öffentlichen Gebrauch der Vernunft zu praktizieren. Unter dem Privatgebrauch der Vernunft eines Menschen versteht Kant denjenigen, „den er in einem gewissen ihm anvertrauten bürgerlichen Posten oder Amte von seiner Vernunft machen darf“ (a.a.O., S.11), also denjenigen, den heute 90 % der Erwerbstätigen in ihrem Abhängigkeitsverhältnis machen dürfen. Hier gilt Gehorsam, eingeschränkte Vernunft, der Mechanismus der Arbeitsteilung und des Geschäftsgebarens, eine „künstliche Einhelligkeit“, Abrichtung zu fremdbestimmten Zwecken, hier ist man Teil einer Maschine – und mit Marx zu ergänzen: Hier ist man der Gerberei ausgesetzt.

Mit der Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag ist der Privatgebrauch der Vernunft stark eingeschränkt. „Hier ist es nun freilich nicht erlaubt zu räsonieren; sondern man muß gehorchen.“ (Kant: A.a.O., S. 11) Der Arbeitsvertrag macht den Lohnabhängigen aber nicht zu einem Sklaven, er bleibt juristisch freie Person – sodass er jenseits der Arbeitswelt im öffentlichen Gebrauch seiner Vernunft keiner Einschränkung unterworfen ist. „Sofern sich aber dieser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht, mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum im eigentlichen Verstande durch Schriften wendet, kann er allerdings räsonieren, ohne daß dadurch die Geschäfte leiden, zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist.“ (A.a.O., S. 11 f.)

Demnach muss nach Kant ein Offizier im Militärdienst gehorchen: „Es kann ihm aber billigermaßen nicht verwehrt werden, als Gelehrter über die Fehler im Kriegsdienst Anmerkungen zu machen und diese seinem Publikum zur Beurteilung vorzulegen.“ (A.a.O., S. 12) Ein Modell dafür sind die Heeresreformer in Preußen Anfang des 19. Jahrhunderts gewesen und, bis jetzt wirksam, Clausewitz, der nach den Befreiungskriegen sein berühmtes Buch „Vom Kriege“ geschrieben hat.

Als rechtlich freie Person kann der Lohnabhängige jenseits des Unternehmens die Lohnarbeit kritisieren. Während er in der Arbeit Waffen baut oder Uniformen näht, kann er nach der Arbeit die Rüstung als Teil der kapitalistischen Gewaltverhältnisse kritisieren. Die Gewerkschaften haben die Betriebsräte erkämpft, die sogar in ihrem Privatgebrauch der Vernunft größere Freiheiten haben als die sonstige Belegschaft und zu ihrem Schutz nicht kündbar sind – auch wenn die Unternehmen mit Tricks immer wieder versuchen, Betriebsräte zu verhindern oder deren Unabhängigkeit entgegen dem Gesetz einzuschränken. Die Grenzen im Privatgebrauch ihrer Vernunft auch für Betriebsräte liegen da, wo sie die Eigentumsfrage stellen, die Eigentumsfrage zu stellen kann schlechterdings niemandem im öffentlichen Gebrauch seiner Vernunft verwehrt werden. (4)

Ein besonderer Fall sind die „Vormünder“ der großen Masse, die Kant am Beispiel von Geistlichen abhandelt. Sie tragen eine besondere Verantwortung, da ihr Beruf die Reflexion, das Nachdenken und das Wissen ist. Es wäre eine Ungereimtheit, wenn selbst die „Vormünder“, Geistliche, Lehrer, Journalisten usw. zur Unmündigkeit gezwungen würden, denn dann gäbe es überhaupt keine Aufklärung, dadurch keinen Fortschritt und die Gesellschaft ginge ihren schicksalhaften Gang bis zum tödlichen Ende. So muss sich ein Lehrer in der BRD an die staatlichen Vorgaben halten, wie z.B. die Rahmenrichtlinien; insofern ist sein Privatgebrauch der Vernunft eingeschränkt – trotz einer gewissen pädagogischen Freiheit. Es kann ihm aber niemand zwingen, etwas für wahr auszugeben, was er nicht einsieht – wie er auch seinen Schülern nicht diese oder jene Wahrheit oder Meinung aufzwingen kann, sondern als eine mögliche Ansicht präsentiert und mit anderen Auffassungen konfrontiert. Ist ein Lehrer etwa nicht von dem Ideal der Demokratie überzeugt, das er verpflichtet ist zu lehren, dann muss er es zumindest als eine evtl. geltende Auffassung darstellen. Diese Vorgehensweise hindert ihn nicht, auch die Differenz zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit seinen Schüler deutlich zu machen.

„Es ist hierbei auch nichts, was dem Gewissen zur Last gelegt werden könnte. Denn, was er zufolge seines Amts, als Geschäftsträger der Schule (im Original: Kirche, BG), lehrt, das stellt er als etwas vor, in Ansehung dessen er nicht freie Gewalt hat, nach eigenem Gutdünken zu lehren, sondern das er nach Vorschrift und im Namen eines andern vorzutragen angestellt ist. Er wird sagen: unsere Schule lehrt dieses und jenes; das sind die Beweisgründe, deren sie sich bedient.“ Auch wenn er nicht mit voller Überzeugung hinter dieser oder jener Lehrmeinung steht, muss er es lehren, „weil es doch nicht ganz unmöglich ist, daß darin Wahrheit verborgen läge, aber wenigstens doch nichts der inneren Überzeugung Widersprechendes darin angetroffen wird.“ (Kant: A.a.O., S. 12 f.)

Glaubt jedoch jemand, seine Tätigkeit könne er nicht mit seinem kritischen Bewusstsein (Gewissen) vereinbaren, dann muss er seine bezahlte Tätigkeit aufgeben und kündigen. „Denn glaubte er letzteres (seiner inneren Überzeugung Widersprechendes) darin zu finden, so würde er sein Amt mit Gewissen nicht verwalten können; er müsste es niederlegen.“ (A.a.O., S. 13) (5) Dies ist nach Kant die Grenze, wo der Privatgebrauch der Vernunft in Opportunismus umschlägt, der die eigene Vernunft zur widersprüchlichen macht und sie dadurch zerstört – eine solcher Mensch würde in dem Sumpf untergehen, seine Aufklärung wäre nicht mehr möglich.

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Eine besondere Rolle in der Aufklärung spielen die Wissenschaftler, indem sie neue Erkenntnisse produzieren und lehren. Wissenschaftler als „Priester der Wahrheit“ (Fichte) konnten in der Geschichte bis zum 18. Jahrhundert vor allem die werden, die materiell unabhängig waren. Wurden sie von den Machthabern oder Mäzenen angestellt, so mussten sie mehr oder weniger ein deren genehmes Lied singen, konnten aber keine herrschaftskritische Wahrheit aussprechen. Ausnahmen waren etwa Sokrates, der sein Leben lang arm blieb, oder Spinoza, der Gläser schliff, um unabhängig zu bleiben, und deshalb vermutlich vorzeitig verstarb. Mit dem industriell bedingten wachsenden Bedarf nach Wissenschaftlern etablierte das Humboldtsche Modell der Universität das Ideal der Wissenschaftsfreiheit. Danach wurden die Wissenschaftler zwar vom Staat bezahlt, sollten aber völlige Wissenschaftsfreiheit haben nach der Regel: „Caesar non est supra Grammaticos“ (Kant: A.a.O., S. 15) (frei übersetzt: Die Regierung steht nicht über den Wissenschaftlern). Der Grund dafür liegt auf der Hand: Will die Gesellschaft nicht im kapitalistischen Konkurrenzkampf wissenschaftlich zurückbleiben, dann darf sie nicht aus Machtgründen eine faschistische „deutsche Physik“ (gegen Einsteins Relativitätstheorie) oder die falsche Genetik eines Lyssenko administrativ durchsetzen (was die Entwicklung der Genetik in der Sowjetunion dreißig Jahre verhindert hat). Was für die Naturwissenschaften gilt, muss auch für die sogenannten Geisteswissenschaften wie die Philosophie gelten. „Will man also jenen Zweck der (wissenschaftlichen, BG) Bildung, so muß man auch die Wissenschaft wollen. Die Wissenschaft aber hört als Wissenschaft auf, sobald sie zum  b l o ß e n Mittel herabgesetzt und nicht zugleich um ihrer selbst willen gefördert wird.“ (Schelling (6))

Dass dennoch durch den Staat direkt (siehe Fall Peter Brückner und seine Folgen, Lit. wie Anm. 5) und indirekt über Auswahl von Professoren, weiter durch die bürgerliche Presse mit publizistischen Druck und durch den fehlenden Mut der Wissenschaftler, die sich durch Selbstzensur und Selbstdeformation (siehe den Offenen Brief in dieser Ausgabe der „Erinnyen“) übermäßig anpassen, das Erkennen und Aussprechen von unbequemen Wahrheiten blockiert wird, muss jede Aufklärung beachten, wenn sie nicht naiv auf den wachsenden Irrationalismus der Philosophen und Geisteswissenschaftler (7) hereinfallen will. Es ist einerseits für den Laien heute unmöglich, im Wust gegensätzlicher wissenschaftlicher „Ansätze“ wahre Wissenschaft zu erkennen, andererseits werden bestimmte Wahrheiten auch nur im akademischen Bereich produziert und aufgehoben.

Alle, die lohnabhängig sind und zugleich Wissensvermittler, in Kants Sprachgebrauch „Vormünder“, haben die Pflicht, ihr Wissen und ihr theoretisches Talent zur Aufklärung der Menschen einzusetzen. Sie werden zwar vom Staat bezahlt, aber die Steuern, die in ihr Gehalt fließen, sind von den Mehrwertproduzenten erarbeitet worden. Allein schon deshalb haben die Wissenschaftler die Pflicht, sich gegen Ansprüche zu wehren, die vorherrschenden Interessen einer Minorität mit dem Schein der Wissenschaftlichkeit zu drapieren, wie es die Staatsmaschine von ihnen verlangt, sondern dem Gattungsinteresse an der Wahrheit zu dienen und damit der übergroßen Mehrzahl der Menschen, die lohnabhängig sind, weil das Gattungsinteresse mit den objektiven Interessen der Lohnabhängigen (nicht unbedingt mit ihren empirischen Interessen) zusammenfällt. Allerdings steht auch hier die Wahrheit über den Vorurteilen und unmittelbaren Interessen der großen Mehrheit. Es gilt nach wie vor, was Horkheimer über das Verhältnis der kritische Intelligenz zu den Lohnabhängigen gesagt hat: „Der Intellektuelle, der nur in aufblickender Verehrung die Schöpferkraft des Proletariats verkündigt und sein Genüge darin findet, sich ihm anzupassen und es zu verklären, übersieht, daß jedes Ausweichen vor theoretischer Anstrengung, die er in der Passivität seines Denkens sich erspart, sowie vor einem zeitweiligen Gegensatz zu den Massen, in den eigenes Denken ihn bringen könnte, diese Massen blinder und schwächer macht, als sie sein müssen.“ (8)

Wenn nun aber selbst die kritischen Intellektuellen auf bürgerliche Philosopheme und Irrationalismen hereinfallen, anscheinend weil es up to date ist und mehr Aufmerksamkeit erregt nach dem Motto: „Hauptsache originell“, unsere Kritik der „Spinozistischen Grundlegung der Linken“ in diesen „Erinnyen“ ist ein Beispiel dafür, dann gilt längst nicht mehr: Dies ist ein Hochschullehrer, also muss er wissen, was Sache ist. Niemand kommt also um das Selbstdenken und um die eigene Reflexion herum. Und niemand kommt um den bescheidenen Mut herum, den die Aufklärung bedarf. Die Alternative zur Aufklärung mit folgender Revolutionierung der Verhältnisse ist nicht mehr der Untergang einer Gesellschaft, wie Marx dachte, auch nicht die Barbarei, wie Rosa Luxemburg annahm, sondern - angesichts der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und der Möglichkeit eines Atombombenkrieges – die Auslöschung der Menschheit. Dann allerdings existiert nur noch Sumpf – ohne einen Schopf, der sich versucht zu retten.

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Anmerkungen

(1) Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, in: Kant, Erhard, Hamann, Herder, Lessing, Mendessohn, Riem, Schiller, Wieland: Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen. Herausgegeben von Ehrhard Bahr, Stuttgart 1974 u.ö.

(2) Karl Marx / Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie, in: MEW Bd. 3.

(3) Vgl. immer noch grundlegend: Max Horkheimer / Theodor W. Adorno: Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug, in: Dies.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Ffm. 1969 u.ö. S. 108 ff.

(4) Bei einer Gerichtsverhandlung ging es um folgenden Sachverhalt: Ein Betriebsrat hatte (vermutlich) ein Gedicht am Schwarzen Brett veröffentlicht. Es hatte sinngemäß folgenden Inhalt: „Mein Großvater arbeitete in der Fabrik / Mein Vater arbeitete in der Fabrik / Ich arbeite bereits zwanzig Jahre in der Fabrik / Und dann gibt es hoch oben am Rhein Leute, / die behaupten, es wäre ihre Fabrik.“ Die Betriebsleitung entließ ihn fristlos, er bestritt die Täterschaft und klagte. Im Prozess wollte die Leitung ein graphologisches Gutachten erstellen lassen. Doch dazu kam es nicht – man einigte sich über eine Abfindung von 20 000 DM. Der gekündigte Betriebsrat wurde hauptamtlicher Funktionär der Gewerkschaft.

(5) Dass in Deutschland das Gewissen sich gegenüber den Zwängen der materiellen Existenz, sprich Arbeitsplatz, Lohn, Wohlstand, meist ducken musste, falls es überhaupt vorhanden war, zeigten drastisch die Beamten 1933. Obwohl sie auf die Demokratie geschworen hatten, strebten sie zu ca. 98 % nach Handlangerdiensten für die faschistische Diktatur.

(6) Schelling, zitiert nach: Peter Bulthaup: Offener Brief an den niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst, in: Ders.: Das Gesetz der Befreiung. Und andere Texte, herausgegeben vom Gesellschaftswissenschaftlichen Institut Hannover, Lüneburg 1998, S. 64.

(7) Vgl. Peter Bulthaup: Deduktion der Postmoderne oder vom bürgerlichen Interesse an der Paralysierung der Vernunft, in: Ders.: Das Gesetz der Befreiung. Und andere Texte, herausgegeben vom Gesellschaftswissenschaftlichen Institut Hannover, Lüneburg 1998, S. 204 ff.

(8) Max Horkheimer: Traditionelle und kritische Theorie, in: Ders.: Traditionelle und kritische Theorie. Vier Aufsätze, Ffm. 1977, S. 33.

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Letzte Aktualisierung: 27.08.2010