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Zeitschrift für materialistische Ethik Herausgegeben vom Spätsommer 2010 Nr. 21
Die linke Sehnsucht nach dem Determinismus
Inhalt
Ein Gespenst geht um unter den kritischen Intellektuellen in Europa – das Gespenst des Sacrificium Intellectus. Fast alle linken Theoretiker haben sich zu einer Hetzjagd auf die Vernunft verbündet. Die französischen Poststrukturalisten und ihre deutschen Adepten, die empiristischen Herumwühler in den Erscheinungen der kapitalistischen Ökonomie, die Hasser wahrer Erkenntnis der Objektivität, die sie als Objektivismus denunzieren, um jedes Jahrzehnt einen neuen Kapitalismus kreieren zu können, und die Formalisten, Empiristen und Diskurstheoretiker, um ungestört durch die Obrigkeit ihre formalen Spielchen betreiben, sich aber doch als progressiv fühlen zu können. Keine verrückte Philosophie aus den Verfallsformen des bürgerlichen Denkens nach Hegel ist sicher vor ihrer Leichenfledderung. Sie wollen über Marx hinaus, um ihre Reputation im Wissenschaftsbetrieb mit kreativen Hypothesen zu erhöhen, und fallen doch nur hinter seine Einsichten zurück. Und selbst diejenigen, die noch der Schärfung der Vernunft frönen, machen dies im akademischen Getto oder heimlich wie einst Spinoza im Obrigkeitsstaat, dessen Hauptwerk erst nach seinem Tode erscheinen konnte. Wo ist der Aufschrei, wo die Empörung angesichts der Not des kritischen Geistes? Angesichts der Erkenntnis, dass nur so viel Vernunft sich durchsetzt, wie die vernünftig Denkenden durchsetzen, sieht es um unsere Zukunft düster aus. Was die bürgerliche Ideologie nicht schafft, bewerkstelligen die linken Heideggeranbeter, Monismusverliebten und Willensnegierer. Der einzige Trost beim Anblick dieser Paralysierung avancierter Vernunft ist die Tatsache, dass die Größe der Anstrengung gegen das rationale Denken auf dessen Fortleben verweist. Allerdings ist dies ein schwacher Trost, denn vermutlich verdankt sich der Wust der Gestalten, die sich der eigenen geistigen Opferung widmen, mehr dem ökonomisierten Wissenschafts- und Geistesbetrieb als einer bewussten Steuerung dieser Dummheiten. Dummheit als Mangel an Urteilskraft, Opferung des eigenen Verstandes und Denunziation der Vernunft, des einzigen Vermögens, das wir haben, um die leichenträchtige kapitalistische Ökonomie abzuschaffen, zerstören das menschliche Selbst; die Transponierung der Wahrheit in den Willen zur Macht schädigt das Bewusstsein, indem es den eigenen Geist schizophren macht. Sie werden dann zu tendenziell dem, was sie der passiven Bevölkerung, die sie doch erst passiv machen durch ihr falsches Denken, ankreiden: zu Androiden und Cyborgs. Die „Erinnyen“ streiten mit ihren bescheidenen Mitteln gegen den linken Irrationalismus an, der mehr die Interessen des Gegners betreibt als auf eine Veränderung abzielt. In kurzen Artikeln werden ideologische Formen des Denkens kritisiert wie der „Paradigmenwechsel“, der „Linguistic Turn“, die „Dekonstruktion“, um dagegen einen rationalen Begriff von Wahrheit zu stellen. Im Zentrum aber steht der Essay „Die linke Sehnsucht nach Monismus und Determinismus“, der sich gegen eine „spinozaische Grundlegung der Linken“ richtet. In dieser wird Spinozas Philosophie nicht als Schritt zur Herausbildung der avancierten Vernunft reflektiert, sondern größenwahnsinnig und zugleich verbohrt als Steinbruch für abstruse Wirklichkeitsdeutungen missbraucht. Diesem Missbrauch stellen die „Erinnyen“ eine Spinozareflexion entgegen, die den Gehalt seiner Philosophie herausarbeitet. Da fast alle linken Ideologien (falsches Bewusstsein) in der einen oder anderen Form deterministisch argumentieren, stellt sich die Frage, ob dies nicht ein Ausdruck der versteinerten kapitalistischen Verhältnisse ist, der zum eskapistischen Gedanken führt, ein Automatismus würde einen Übergang zu einer besseren Gesellschaft ermöglichen. Dies deutet auch eine von uns rezensierte Schrift an, die der Gipfel des Irrationalismus ist, die uns bisher in der Linken vorgekommen ist. An den Unzulänglichkeiten dieses Buches kann man auch ersehen, was die Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebs anrichtet. Da schreiben Leute, die ihr geistiges Handwerk nicht verstehen oder die Texte nicht lesen, über die sie schreiben, die mit der Geste des Durchblicks ihre Meinung verbreiten und Vorurteile kolportieren über Dinge, die sie nur aus schlechter Sekundärliteratur kennen. Dass die Chefdenker, auf die sich solche Schreibe bezieht, Hardt/Negri sind, verwundert nicht. Die Tatsache, dass deren „Geschwätz“ (so denunziert Seibert entgegenstehende Auffassungen) in der linken deutschen Öffentlichkeit mit Wohlwollen aufgenommen wurde, ist bezeichnend für deren Verfall. Wir haben nichts gegen Geschwätz – auf einer Parkbank neben sich die Bierflasche. Aber in die lesende Öffentlichkeit gebracht, untersteht es deren Regel – und die heißt Kritik, wenn es sein muss auch Polemik und Satire. Wer unlogisch oder irrational argumentiert oder etwas öffentlich behauptet, der wird objektiv unverständlich, er tritt die Wurzel der Humanität mit den Füßen, denn diese Wurzel ist die Kommunikation vernünftiger Gedanken unter den Menschen. Wer bewusst Aussagen fälscht oder irrationale Aussagen propagiert, der paralysiert die Vernunft mit der Folge, dass auch in der menschlichen Praxis, die solchen Aussagen folgt, katastrophale Fehler eintreten können. Er ist wie ein korrupter Ingenieur, der inkonsistenten Beton für eine Brücke mischen lässt, sodass diese einstürzen wird und Menschen mit sich in den Tod reist. Er ist ein Feind der Menschheit – hätte ich bald geschrieben -, ich verkneife mir aber dieses Pathos, da gerade ein rassistischer Diktator diesen Begriff für seine partikularen Interessen missbraucht hat. Bodo Gaßmann einen Beitrag in unser Gästebuch formulieren, Kritik üben oder mit uns Kontakt aufnehmen...
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